Königliches Flötenkonzert

Friedrich II. und die Musik

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Eines der berühmtesten Bilder des Malers Adolph Menzel (1815-1905) zeigt Friedrich II. beim Musizieren. “Das Flötenkonzert in Sanssouci” ist in der Berliner Nationalgalerie zu bewundern und beschreibt in eindrucksvoller Weise die Musikliebe des Preußenkönigs.

Mit sieben Jahren bereits erhielt Friedrich seinen ersten Unterricht beim Domorganisten Gottlieb Hayne, der ihn im Generalbassspiel unterwies und die Grundregeln des vierstimmigen Satzes erklärte. Letztere sind Voraussetzung für jede kompositorische Betätigung. 1728 erlebte der Kronprinz in Dresden seine erste Opernaufführung und machte die Bekanntschaft des schon damals berühmten Flötenvirtuosen Johann Joachim Quantz (1698-1773). Dieser hinterließ mit seinem Spiel einen derart nachhaltigen Eindruck auf den Sechzehnjährigen, dass der sogleich darum bat, von ihm unterrichtet zu werden. Da Quantz am Dresdener Hof angestellt war, fanden die Lektionen nur in größeren Abständen statt. Es wird berichtet, dass die Königin für die Spesen aufkam, da seine Majestät Friedrich Wilhelm I. nicht bereit war, die musikalischen Ambitionen seines Sohnes zu finanzieren. Am meisten ärgerte den Vater, dass der Prinz die Musik allen höfischen Pflichten vorzog, und so kam es häufig zu schlimmen Auseinandersetzungen. Schließlich verbot Friedrich Wilhelm kurzerhand jegliche literarische und musikalische Betätigung. Und was tat der junge Musikfreund? Er ging heimlich seinen Neigungen nach, übte sich im Flötenspiel und begann zu komponieren.

Als Friedrich 1732 nach Rheinsberg übersiedelte, begann für ihn die glücklichste Zeit seines Lebens. Er engagierte ein kleines Kammerorchester, als dessen Dirigenten er 1735 den späteren Opernkapellmeister Carl Heinrich Graun (1703 oder 1704-1759) verpflichtete. Bei ihm nahm Friedrich regelmäßig Kompositionsunterricht. Später wurde auch Carl Philipp Emanuel Bach (1714-1788), der wohl bedeutendste Sohn des großen Thomaskantors, gewonnen. Während seiner Rheinsberger Zeit suchte der Kronprinz die Bekanntschaft zahlreicher Philosophen und Künstler. Voltaire (1694-1778) gehörte dazu.

Am 31. Mai 1740 begann die Regierungszeit Friedrichs II., und von diesem Tage an zog am Hofe ein anderer Geist ein. Der neue König plante ein repräsentatives Opernhaus Unter den Linden. Er schickte Graun nach Italien, um Sänger zu verpflichten. Am 7. Dezember 1742 wurde das Haus mit Grauns Oper “Cesare e Cleopatra” feierlich eröffnet.

Wenn man bedenkt, dass der riesige Bau mitten im Ersten Schlesischen Krieg errichtet wurde, wird deutlich, wie wichtig Friedrich ein attraktives Musikleben nahm.

Inzwischen gelang es dem König, seinen Freund und Lehrer Quantz zu brillanten finanziellen Bedingungen zu engagieren. Während man Friedrich nachsagte, im allgemeinen äußerst sparsam, ja geizig gewesen zu sein, ließ er sich “seine” Musik etwas kosten. Vier- bis fünfmal täglich griff er zur Flöte, ja selbst auf seinen Feldzügen führte er sein Lieblingsinstrument mit. Es muss einigermaßen seltsam gewesen sein, inmitten des soldatischen Treibens den “königlichen Flötentönen” zu lauschen.

Im Mai 1747 kam es in Potsdam zu einer denkwürdigen Begegnung zwischen dem König und Johann Sebastian Bach (1685-1750). Wie von Chronisten berichtet wird, gab Friedrich dabei den Anstoß zur Komposition des “Musikalischen Opfers”, eines außerordentlich feinsinnig gearbeiteten Werkes, in dem Bach alle Register seiner großen Kunst zog.

Die drohende Kriegsgefahr veranlasste den König, den Etat für das kulturelle Leben erheblich einzuschränken, was schließlich dazu führte, dass sein geliebtes Opernhaus acht Jahre geschlossen werden musste. Die Unterbrechung bewirkte ein Absinken des allgemeinen künstlerischen Niveaus in der Residenz, und erst 1775 gab es mit Johann Friedrich Reichardt (1752-1814) wieder einen ordentlich bestallten Kapellmeister an der Königlichen Oper.
Friedrichs Rolle im Berliner Kulturleben war immer zwiespältig. Er war in erster Linie Staatsmann und Soldat, und erst in zweiter Linie Musiker und Mäzen. Einerseits gab er starke Impulse, er baute die Lindenoper, engagierte prominente Künstler und war mit seinen musikalischen und literarischen Aktivitäten leuchtendes Vorbild. (Das Beispiel des Flöte blasenden Königs trug wesentlich zur Verbreitung der Querflöte bei.) Andererseits aber behinderten ein gewisser Konservatismus und die damit verbundene Ablehnung von Neuerungen das freie Spiel künstlerischer Kräfte. So zeigte er allzu deutlich seine Vorliebe für italienische und seine Ablehnung gegenüber französischer Musik. Und das, obwohl er nur wenig Italienisch und besser Französisch als Deutsch sprach. Seinem Hofkapellmeister Graun befahl er sogar, von der Komposition von Opernouvertüren im französischen Stil abzusehen. Zur Polyphonie, jener kunstvollen Mehrstimmigkeit, die die Beherrschung verzwickter kompositorischer Gesetze und Regeln voraussetzt, fand er zeitlebens keine rechte Einstellung. Friedrich komponierte homophon, das heißt, er erfand zu seinen Melodien keine begleitenden Nebenmelodien, sondern lediglich Akkorde im Sinne des barocken Generalbassspiels. Kirchenmusik fand an seinem Hofe kaum Pflege, was sich wohl aus seiner Weltanschauung erklärt.

Wie man weiß, schwächten die Bürde der Kriege und allgemeine Staatspflichten die Gesundheit und bald auch das Kunstinteresse des Königs. Die Konzertprogramme wurden immer eintöniger, und herausragende Künstler wie Carl Philipp Emanuel Bach verließen resigniert und frustriert den Hof. 1779, nach der Rückkehr vom Bayrischen Erbfolgekrieg, legte der König die Flöte für immer aus der Hand.
Auch in späteren Zeiten haben Hohenzollern komponiert, aber sowohl von der Schaffenskraft als auch von der Bedeutung her war Friedrich wohl allen folgenden überlegen. Obwohl er seine Flötensonaten und -konzerte nur zum eigenen Gebrauch schuf und nie daran dachte, damit in die Musikgeschichte einzugehen, muss aus heutiger Sicht doch gesagt werden, dass Friedrich II. der Nachwelt eine Reihe anregender und im besten Sinne unterhaltender Stücke hinterlassen hat. Hinzu kommen viele sehr profilierte Militärmärsche, die noch heute hohes Ansehen genießen.

Neben Flötenspiel und Komposition schrieb Friedrich II. auch Opernlibretti. Insbesondere für die Bühnenwerke des schon mehrmals genannten Carl Friedrich Graun verfasste er Textbücher. Erwähnenswert ist “Montezuma”, eine Oper in drei Akten, die das Schicksal des letzten Aztekenkönigs Montezuma II. (1466-1520) zum Inhalt hat. Dieser war vom spanischen Eroberer Cortez (1485-1547) gefangengenommen worden und ist auf mysteriöse Weise zu Tode gekommen. Friedrich hat das Libretto in französischer Sprache verfasst. Graun ließ es ins Italienische übersetzen und vertonte es. “Montezuma” wurde 6. Januar 1755 an der Königlichen Oper in Berlin uraufgeführt und erlebte 1771 eine Neuinszenierung am gleichen Hause. Nach langer Pause gab es 1936 in Saarbrücken eine Wiederaufführung in deutscher Sprache. Friedrich hat bei diesem Opernlibretto den musikhistorisch interessanten Versuch unternommen, die Form der “Da-Capo-Arie” (Ablauf A-B-A) durch die Form der “Cavatine” (Ablauf A-B) zu ersetzen.

Wenn man sich in der Musikabteilung der Berliner Staatsbibliothek umschaut, findet man eine beachtliche Zahl von Autographen Friedrichs II., die eine gründliche Sichtung lohnen würden, auch mit Blick auf die Möglichkeiten öffentlicher Aufführungen oder Studioproduktionen. Einige CDs bieten die Schallplattengeschäfte ja an, aber mit Sicherheit gäbe es noch Werke aus der königlichen Feder, die so manchem Musikliebhaber Freude bereiten würden.

Übrigens - das eingangs erwähnte Gemälde von Adolph Menzel, das der Künstler 1852 fertig stellte, bezog sich auf ein Konzert, das zu Ehren der Schwester Friedrichs II., der Markgräfin Wilhelmine von Bayreuth (1709-1786), gegeben wurde. Der König spielt gerade ein Flötensolo, am Cembalo sitzt Carl Philipp Emanuel Bach, und als Konzertmeister wirkt der seinerzeit sehr bekannte Franz Benda. Rechts im Bild erkennt man Johann Joachim Quantz, und links hinter dem König lauscht Wilhelmine aufmerksam dem Spiel des Bruders.

Horst Fliegel



Erschienen in “Berlinische Monatsschrift”, Luisenstädtischer Bildungsverein e. V., Februar 1995